Berliner Schleife

Posted on Juni 10, 2009
Filed Under Alle Projekte/ All Projects, Kultur/ Culture, Städtebau/ Urban Design

schleife.jpgGRENZE IN DEN KOEPFENSCHLOSSBRUECKESCLOSSPLATZLAGEPLAN


Wettbewerb für das Denkmal der Einheit und Freiheit in Berlin
„Ich bin nicht Eurer Meinung, aber ich werde darum kämpfen, dass Ihr Euch ausdrücken könnt.“ (Voltaire)

1) Idee
Dass sich Freiheit im Angesicht des Anderen friedlich erkämpfen lässt, ist die Erfahrung der friedlichen Revolution von 1989. Einer Revolution, die für den Untergang der Mauer steht, die das deutsche Volk über Jahrzehnte entzweit hat. Eine Mauer, die zu einem Symbol der Ausgrenzung und Handlungsunfähigkeit aller anders denkenden Bürger_innen wurde. Weltweit. Als das Gegenteil von Freiheit. In einer solchen Ein- und Ausgrenzung manifestiert und materialisiert sich schließlich immer Angst und Fremde.
Deshalb wird hier der Schwerpunkt auf die Achtung und Anerkennung menschlicher Bedürfnisse - eines gleichberechtigten Seins - gelegt. Sowie die Möglichkeit, sich an demokratischen Diskursen zu beteiligen und die eigenen Interessen in demokratischer Weise in allgemeinen Willensbildungsprozessen einzubringen.

2) Skulptur
In der Skulptur wird Freiheit als eine respektvolle Begegnung auf gleicher Augenhöhe erlebbar gemacht. Diese Begegnung wird physisch durch eine ansteigende Schleife umgesetzt, die von zwei entgegen gesetzten Seiten betreten werden darf und in der Mitte zu einer Begegnung der Benutzer_innen führt.
Durch die eigene Bewegung wird darüber hinaus auch eine Beziehung mit der Schleife hergestellt: die Spiegelung auf der reflektierenden Oberfläche verändert sich permanent und lässt die Betrachter_innen sich selbst im Spiegelbild der Umgebung erfahren. Sowohl die Individualität in der Vielfalt als auch die Mannigfaltigkeit in der Einheit der Bevölkerung lassen sich somit auf die Skulptur übertragen und werden erfahrbar durch räumliche Trennung, Spiegelung und Begegnung. Die Drehung der Struktur von der Vertikale in die Horizontale lässt die Auflösung des trennenden Elementes als Öffnung erleben.
FACTSHEET

Standort
Schlossfreiheit, Berlin
Bauherr
BBR
Größe
ca. 5,500 qm
Auftrag
LP 1
Projektstatus
Wettbewerb April 2005
3) Form
Unabhängig voneinander entdeckten 1858 zwei Wissenschaftler, der Göttinger (West) J.B. Listing und der Leipziger (Ost) A.F.Möbius eine Struktur, die als Möbiusschleife bekannt wurde. Sie hat durch ihre Drehung nur eine Seite: dadurch verschwimmen die kartesianischen Kategorien von Innen und Aussen sowie Vorne und Hinten.
Die Struktur umschreibt einen Raum, der die grösst mögliche Freiheit verkörpert, weil er in alle Richtungen hin offen und hierarchielos ist. Aus jeder Perspektive ändert sich die Erscheinung: sie wirkt aus allen Blickwinkeln unterschiedlich und damit lebendig.
Diese Struktur ist der Skulptur eingeschrieben und als eigenständiges Objekt zugleich begehbarer Vordergrund und Hintergrund. In der polierten Stahlblechoberfläche spiegelt sich die Umgebung. Gleichermaßen sammelt sie so die Geschichten ihrer Umgebung (das Schloss, das Staatsratsgebäude, die Bauakademie und den Belag des Sockels, auf dem sie steht) und bildet sie neu ab.
Der Sockelbelag wird archäologisch als historische Reminiszenz freigelegt, die Abdrücke des ehemaligen Abbruchs durch ein neues Material markiert.

Dimension/ Abmessungen
Länge, Breite Höhe
Statische Massnahmen werden denkmalgerecht und nicht sichtbar im Sockelbereich realisiert werden können.
Auf einen Informationsort verzichten wir bewusst, da sich die Skulptur selbst erklärt. Ein Informationsraum im Humboldt- Forum gegenüber des Denkmals ist aus unserer Sicht wünschenswert.

Material/ Wartung
Verspiegelte Oberfläche, Farbe: Orange- bronze- farbend hochglänzend, Mischung aus den Nationalfarben. Stahlblech- Sandwichkonstruktion auf Leichtbau- Spantenkonstruktion, Technisch realisierbar wie Schiffsbau. Rampe begehbar, behindertengerechte Steigung. Geringer Wartungsaufwand, da witterungsbeständig. Reinigung mittels Hubwagen von Sockel aus möglich.

Ort/ Städtebau
Die Verfasser stehen der Rekonstruktion des Schlosses kritisch gegenüber. Dennoch sehen wir die Notwendigkeit gegenüber dem Haupteingang des Humboldt- Forums einen urbanen, lebendigen Platz zu schaffen als gegeben und wünschenswert. Die historischen Fotos belegen die Qualität anschaulich- wenn man die politische Dimension des wilhelminischen Machtanspruchs ausser Acht lässt. Die Maßstäblichkeit des neuen Denkmals misst sich einerseits am Ort und seiner Umgebung, anderseits am menschlichen Körper und dessen Fähigkeit der sinnlichen Wahrnehmung als Kategorie.
Die Grösse der Skulptur gewährleistet eine erkennbare Spiegelung der das Wettbewerbsgelände umgebenen Gebäude. Zugleich ist sie nicht monumental, auch wenn die städtbauliche Absicht der ehemaligen Arkade zitiert. Die Form setzt sich in ihrer Geschwungenheit bewusst von der blockartigen Bebauung ab. In der Fernsicht ist sie - für Besucher von der Lindenallee und dem Brandenburger Tor kommend- gut sichtbar und in Ihrer Grösse und Gestalt ein attraktiver, neugierig- machender Anziehungspunkt.
Während das Reiterstandbild einst den Mittelpunkt des Ortes bildete, ist das Zentrum von jetzt an den Menschen vorbehalten: sie kreisen um eine leere Mitte und sind frei in Ihren Entscheidungen wie sie den Ort erfahren wollen. Der Machtanspruch des ehemaligen Denkmals- verkörpert durch die symmetrische Anordnung in der Achse des Stadtschlosses- wird hier gebrochen durch die geschwungene asymmetrische Form, in deren Zentrum der freie Bürger steht.

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